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Die Razzien im Scheunenviertel waren ein wiederkehrendes Event, in dem man mit großen Erfolg versuchte, die Laune der Anwohnerschaft aufgrund von so nebensächlichen Attributen wie z.B. Religionsangehörigkeit, Nationalität oder Aussehend zu verderben. Zentrum der Durchsuchungen war dabei immer die Grenadierstraße aber die restlichen Straßen blieben nicht verschont. Die erste Episode wurde bereits am 17. Februar 1919 gedreht. Laut Sicherheitspolizeit würden die Zustände einem geordneten großstädtischen Verkehrsleben hohn sprechen und sich zu einer wirtschaftlichen Gefahr auswachsen.[1]

In den 1920er Jahren war das frühere Scheunenviertel das am dichtesten bewohnteste Quartier Berlins. Unter der Anwohnerschaft waren viele orthodoxe osteuropäische Juden, die vor Pogromen in Polen, Litauen und der Ukraine nach Berlin geflüchtet waren. In der öffentlichen Debatte wurden sie häufig nur als „Ostjuden“ bezeichnet, was ein Synonym für rückständig war.[2] Wer vermutet, dass diese Art von Veranstaltungen erst nach 1933 in Deutschland en-vogue wurden, irrt: Bereits 1919 und 1920 führte die Polizei Durchsuchungen jüdischer Geschäfte durch. Die Berichterstattung warnte vor dem „Schieberunwesen“ und „kriminellen Elementen“ des Scheunenviertels die breite Masse, die bekanntlich sehr auf solche Crime Stories abfährt.

5. November 1925: Das erste Pogrom

Gegen 11 Uhr wurde zehntausenden Erwerbslosen vor dem Arbeitsam in der Gormannstraße ihre Unterstützung untersagt. Angestachelt von Agitatoren stürmten sie in den kommenden Stunden jüdische Geschäfte und Wohnungen im anliegenden Scheunenviertel, da sie dort die Schuldigen vermuteten.[3] Über 200 Geschäfte wurden geplündert, Menschen auf den Straßen teilweise schwer mißhandelt. Laut Zeugenaussagen gingen die Plünderer gezielt vor, was den Anschein vermuten ließ, dass die Überfalle im Vorfeld geplant wurden. Erst gegen 13 Uhr traf die Schutzpolizei ein und sperrte entsprechende Straßen ab. Um sich dem noch immer aufgebrachten Mob entgegenzustellen, fuhr eine etwa zwanzigköpfige Mannschaft des RjF (Reichsbund jüdischer Frontsoldaten) in das Scheunenviertel. Gegen 14 Uhr ereignete sich bei einer Auseinandersetzung unweit der Volksbühne ein Vorfall, der zur erneuten Eskalation führte. Aus der Linienstraße erfolgte ein Schuss, der einen nicht-jüdischen Arbeiter tötete. Der Täter konnte nicht ermittelt werden. Die Polizei nahm hingegen die RjF-Mitglieder in "Schutzhaft" in der Alexanderkaserne.[3] Etwa 130 Personen wurden im Rahmen der Ereignisse festgenommen. Die Ausschreitungen dehnten sich auch auf andere Bezirke bis nach Charlottenburg aus. Im Scheunenviertel wurden neu aufkommende Plünderungen am 6. November durch die Präsenz der Schutzpolizei unterbunden.[4]

April 1933: Goebbels Polizeirazzia

Auch im April 1933 fand eine große antisemitische Polizeirazzia statt, die als Medienereignis inszeniert wurde, sehr zu Freude des Organisators Joseph Goebbels. Die Razzia wurde von Fotografen begleitet, die auf ihren Fotos die jüdischen Anwohner des Viertels als rückständig und fremd zeigten und so antisemitische Stereotype bedienten. Auch Verhöre der Polizei wurden direkt im Radio gesendet, allerdings nur derjenigen Personen, die gebrochen deutsch sprachen.[5] Ein Live-Event wie aus Zeiten des Reality TV, das als Prequel für das diente, was in den kommenden Jahren noch auf das Scheunenviertel zukam und in der zweiten Staffel vom Abriss des Scheunenviertels einen weiteren "Höhepunkt" fand.

Links

Referenzen

  1. I. Kirschey-Feix: Treffpunkt Scheunenviertel. Leben im Schtetl, Neues Leben Verlag, Berlin 1993
  2. Jüdisches Museum: Berlin Transit. Jüdische Migranten aus Osteuropa in den 1920er Jahren. Wallstein 2012.
  3. 3,0 3,1 K. Krampitz: Pogrom im Scheunenviertel. in: Aktives Museum. Faschismus und Widerstand in Berlin e.V. (Hrsg.), Berlin 2023
  4. Morgenausgaber der Vossischen Zeitung vom 6. November 1923
  5. K. Hesse: "Gelenkte Bilder. Propagandistische Sichtweisen und fotografische Inszenierungen der Reichshauptstadt." In: M. Wildt, C. Kreuzmüller: Berlin 1933–1945
Site-logo Die Episoden
denkwürdige Ereignisse im ∇ geeignet zum Nachlesen und Nacherzählen

1906–08: Abriss (Staffel 1)
1908: Knabenmord
1913–14: Geburt
1931: Showdown
1934–35: Abriss (Staffel 2)
1919–37: Razzien
1937: Femizid
1973: Festival
1973/74: Spektakel
1989: Frauenkongress
2016–2018: Intendantenwechsel

seit 2020: Zirkumvention
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