„Wer es doch (wie die Kritiker ja fast immer versichern) wirklich gut mit der Volksbühne meint, der lasse ihr doch um Gottes willen nur einmal ein paar Jahre ruhiger, ungestörter Arbeit!“[1]
Die Volksbühne ist ein Theaterbau auf dem Platz. Sie wurde 1914 für den Verein Freie Volksbühne e.V. nach Entwürfen von Oskar Kaufmann gebaut. Vor ihr befindet sie die Wiese, östlich daneben der Pavillon und der Spielplatz, westlich wird sie vom Trinkerpark begrenzt, nördlich umschließt sie Teilen der Nazi-Bauten.
Geschichte
Making Of
Siehe auch: Bau der Volksbühne
Piscator: Zu viel Revolution für die Volksbühne?
Weil sich die Sendung "Wer ist hier der Boss?" als Verkaufsschlager entpuppte (und die Verantwortlichen selbst auch gar nicht genug davon bekommmen konnten), kam es 1927 zu einem Spin-Off rund um den Regisseur Erwin Piscator. Der war ab 1924 Oberspielleiter an der Volksbühne gewesen. Zunächst ging es der Volksbühne in diesen Jahren wirtschaftlich gut und mit 160.000 Personen hatte der Volksbühnen-Verein so viele Mitglieder wie nie zuvor, da war also auch der Vereinsvorstand sehr zufrieden mit Piscator. Dessen technisch immer hochmoderne Inszenierungen entsprachen auch dem Anspruch, gesellschaftliche Veränderungen mit anzustoßen und die Berliner Stadtkultur zu prägen.
Doch als dann die Mitgliederzahlen aufgrund der steigenden Inflation zurückgingen, machten die Inszenierungen des KPD-Mitglieds Piscator dem Vereinsvorstand zunehmend Angst. Besonders seine Inszenierung von Ehm Welks Gewitter über Gottland empfand der Vorstand als zu revolutionär für den parteiübergreifenden Anspruch des Hauses. Der Vorstand warf Piscator vor, das Stück für seine eigenen Interpretation in nicht zulässiger Weise umgedeutet zu haben. Wie immer blieb diese Diskussion rund um die Rolle der Kunst blieb nicht auf die Volksbühne beschränkt, sondern schlug auch darüber hinaus hohe Wellen. Piscator hatte keinen Bock mehr auf diese Show: Er verließ die Volksbühne und gründete 1927 sein eigenes Theater, die Piscator-Bühne.
Absetzung und Neuauflage
In der Folge vom 20. November 1943 Krieg wurde der Platz von Fliegerbomben angegriffen, dabei bewies sich die vermeintliche Trutzburg als gar nicht mal so resistent und bekam einiges ab. Aus technischen Gründen (wahrscheinlich aber nicht nur) wurde die Volksbühnen-Show im Januar 1944 bis auf Weiteres abgesetzt. Am 26. April 1945 rumste es nochmal ganz gewaltig und inzwischen dürfte sich niemand mehr in das Haus (oder sonst wohin) getraut haben. Da war der Sendebetrieb ohnehin schon längst eingestellt.
Als sowohl der übertragende Sender als auch sämtliche Showgrößen längst nicht mehr zur Verfügung standen, wurden, mit neuer Sendeanstalt (Logofarbe rot) ab 1947 eine Neuauflage der Volksbühne angestrebt. Die Volksbühnen-Bewegung formierte sich zum gefühlt 50 Mal in 50 Jahren neu und schloß sich der allgemeinen Stimmung im neuen, antifaschistischen Gegenentwurf zum ollen Lametta von vorher an: Der Sommerhit im Winter 1947 (und auch noch lange danach) hieß Jugend erwach! von dem FDJ-Chor KaWe (wahrlich kein One Hit Wonder!).[2]
Am 21. April 1954 wurde das Haus wieder eröffnet oder neu eröffnet. So ganz war man sich da nicht einig. 1974 wurde jedenfalls der 20. Geburtstag gefeiert, 2014 wiederum der 100. – kann da jemand etwa nicht rechnen?!
Die Neueröffnung ging mit einem leichten aber signifikanten Re-Branding einher: Von nun an fehlte der Slogan Die Kunst dem Volke über dem Portal. Warum? Na weil das doch ohnehin jedem klar war!
Freie Liebe, freie Flächen, freies Land?
In den 1970er Jahren beherrschten Luft und Liebe den Platz, womöglich durch die X. Weltfestspiele der Jugend inspiriert, sorgte das Haus unter dem damaligen Boss Benno Besson dafür, dass sich die Nachbarschaft zu ihren ganz eigenen Spektakeln eingeladen fühlten durfte.
Mit einer Zeitenwende standen auch in der Volksbühne die Zeichen auf Neuanfang und Mitgestaltung. So schmiedete man beim Frauenkongress ambitionierte Pläne, von denen sich, wie so viele andere Erwartungen, die man an die Zukunft hegte, nur ein Bruchteil verwirklichen ließ.
Die Ära Castorf
Ein Messias aus der Provinz, der eigentlich aus dem benachbarten Prenzlauer Berg kam, sollte das Haus in die neuen Zeiten führen. Die Anfangszeiten der Regentschaft von Frank I. sind in dem Report einer sich zu dieser Zeit am Hof aufhaltenden Minnesängerin dokumentiert und bieten so Einblick in jene sagenumwobene Zeit, die mehreren Generationen von Berufshipster:innen später den Speichel in die Mundwinkel treiben sollte. Die Volksbühne wurde eine Marke und hip, nicht nur durch LSD, also einem ausgefeilten Designkonzept Bert Neumanns, zu dem auch das Räuberrad gehörte, sondern auch durch jede Verweigerung, cool zu sein und genau dadurch den Trend für das kommende Jahrtausend zu ebnen. Als es dann schon bald nicht mal mehr wie Geschnitten Brot lief, sondern man von einer internationalen Theaterinstitution sprach, war klar, dass jeder Mythos sich irgendwann sich selbst entledigen muss. Die Hoffnung aller Jünger Frank I.s,, mindestens die Verweildauer des Antifaschistischen Schutzwalls zu überbieten, wurde durch die Ausrufung des Empire of Dercon zu Nichte gemacht. Es folgten Jahre des Kriegs-und Besatzungszustand, von denen die Posse Ein Haufen Schei*e ein Lied singt.
Wer ist hier der Boss?
Die Sendung ist ein Spin-Off, welches meist außerhalb des Theaters und Platzes stattfindet und darüber entscheidet, wer in dem Haus für die kommenden Jahre das sagen hat. Die beliebte Castingshow wird seit 1913 veranstaltet. Ihr Terminus ist unterschiedlich und auch die Anzahl der Episoden sowie ihr Modus variierten dabei über die Jahre stark. Der Sieger erhält den Titel des Volksbühnen-Boss. Bisher konnten folgende Menschen die Show gewinnen:
Staffel | Austragung | Sieger | Regentschaft | Anmerkungen |
---|---|---|---|---|
1 | 1913 | Emil Lessing |
Emil I.
1914–15 |
weitere Nominierte:
|
2 | 1914–15 | Max Reinhardt |
Max I.
1915–18 |
führte Haus als Zweitresidenz zum Deutschen Theater |
3 | 1917 | Friedrich Kayßler |
Fritz I.
1918–23 |
|
4 | 1924 | Fritz Holl |
Fritz II.
1923–28 |
|
5 | 1927 | Heinrich Neft |
Heinz I.
1928–29 |
nachnominiert, bereits vorher geschäftsführender Direktor |
6 | 1928 | Karl Heinz Martin |
Heinz II.
1929–33 |
|
7 | 1931 | Heinz Hilpert |
Heinz III.
1933–34 |
|
8 | 1933 | Bernhard zu Solms-Laubach |
Bernie I.
1934–35 |
keine Mitbewerber, Wahl erfolgte aus Mangel an Alternativen |
9 | 1935 | Eugen Klöpfer |
Eugen I.
1935–44 |
tausche mit Bernie I. die Regentschaft am Theater am Nollendorfplatz |
10 | 1945 | Fritz Wisten |
Fritz III.
1953–61 |
|
11 | 1960 | Wolfgang Heinz |
Heinz IV.
1961–63 |
|
12 | 1962 | Maxim Vallentin |
Max II.
1963–65 |
führte Haus als Zweitresidenz zum Maxim Gorki Theater |
13 | 1964 | Karl Holàn | Karl I.
1965–74 |
nur auf dem Papier |
14 | 1968 | Benno Besson |
Benno I.
1974–78 |
de-Facto Boss seit 1965 |
15 | 1978 | Fritz Rödel |
Fritz V.
1978–90 |
|
16 | 1989 | Annegret Hahn |
I.
Triumvirat 1990–91 |
Durch Punktegleichstand gab es in diesem Jahr mehrere Sieger. |
Marion van de Kamp | ||||
Winfried Wagner | ||||
1990 | Annegret Hahn |
Anne I.
1991–92 |
Amtszeit der Siegerin wurde um ein Jahr verlängert. Es fand kein Wettbewerb statt. | |
17 | 1991 | Frank Castorf |
Frank I.
1992–2017 |
|
18 | 2015 | Chris Dercon |
Chris I.
August 2017 bis 13. April 2018 |
Nachnominierung:
|
19 | 2018 | Klaus Dörr |
Klaus I.
Sommer 2018 – 15. März 2021 |
Nachnominierung:
|
20 | 2019 | René Pollesch |
René I.
13. September 2021-27. Februar 2024 |
Pollesch starb überraschend während seiner Amtszeit |
Links
Referenzen
- ↑ Blätter der Volksbühne Berlin, Heft 6, Juli/August 1931, S. 12
- ↑ Eine sehr schöne Version auf Tante Tube
Volksbühne | |
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Bosse | Emil Lessing • Max Reinhardt • Friedrich Kayssler • Fritz Holl • Heinrich Neft • Karl Heinz Martin • Heinz Hilpert • Bernhard zu Solms-Laubach • Eugen Klöpfer • Fritz Wisten • Wolfgang Heinz • Maxim Vallentin • Karl Holàn • Benno Besson • Fritz Rödel • Annegret Hahn, Marion van de Kamp & Winfried Wagner • Annegret Hahn (2.) • Frank Castorf • Chris Dercon • Klaus Dörr • Gabriele Gornowiz & Sabine Zielke • René Pollesch |
Nicht-Bosse | Oskar Kaufmann • Erwin Piscator • Joachim Gottschalk • Ursula Karusseit • Bert Neumann • Kathrin Angerer • Sophie Rois • Milan Peschel • Christoph Marthaler • Matthias Lilienthal • Carl Hegemann • AnniKa von Trier |
Anhängsel | Grüner Salon • Roter Salon • Pavillon • Räuberrad • P14 |
Episoden | Bau der Volksbühne • Volksbühnen Streit • Frauenkongress • Volksbühnen-Spektakel • Ein Haufen Schei*e |