Die junge Welt ist in Berlin zu Gast, und sie schert sich nicht darum, ob es dem Feinde passt.
Die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten fanden 1973 in Ost-Berlin statt. Der Platz war eine der zentralen Spielstätten während des Festivals.
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Am 28. Juli wurde die Freilichtbühne Luxemburgplatz um 14 Uhr mit einem Blaskonzert des FDJ-
Bezirksmusikkorps Potsdam eröffnet. Um 16 Uhr folgte ein internationales Solidaritätsprogramm der Festivaldelegationen Polen, Ghana, Kambodscha.
Im Babylon zeigte man die Reihe Internationale Tribüne des jungen Films (kämpferische Kunst im Vergleich).
Täglich ab 11 (am Wochenende ab 14 Uhr) fanden auf der Freilichtbühne und in der Volksbühne das Politische Liederfestival zu den X. (kurz PLX) statt. Bis spät in die Nacht trugen Musikgruppen aus u.a. Chile, Schweden, Kuba und Westberlin ihre Lieder vor. Für das Programm zeigte sich der Oktoberklub verantwortlich.[1]
Auch fanden auf dem Platz Meetings statt, wie z,B. am 30,07.1973 zur eine emotionale Veranstaltung zur Solidarität mit dem Volk und der Jugend Chiles, welches zu dieser Zeit bereits in Arge Bedrängnis geraten war und dessen demokratische Regierung nur sechs Wochen später geputscht werden sollte.[2] Durch Verzögerungen in den Debatten der lateinamerikanischen Festivalteilnehmer kam es zu Verzögerungen im Ablaufplan, weshalb einige Musikbeiträge ihr Programm kürzen mussten.[3]
Beim Aufritt einer illegalen Band bat die Moderatorin nicht zu fotografieren. Eine Bitte, der das gesamte Publikum Folge leistete.[4]
2003 widmete sich ein Sommerseminar der Bundeszentrale für politische Bildung unter dem Titel Weltfestspiele '73 - Heldinnen, Bands & Klassenbrüder im Roten Salon dem Thema, das begleitende Festival fand auch im Babylon statt.[5]
Allgemeines
1973 fanden die Weltfestspiele der Jugend und Studenten, die erstmals 1947 in Prag veranstaltet wurden, in Ost-Berlin statt. 8 Millionen Menschen kamen während des neun-tägigen Jugendfestivals zusammen, darunter 25.000 ausländische Gäste aus 140 Ländern. Die Spiele fanden vom 28. Juli bis 5. August 1973 unter dem Motto „Für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft“ in Ost-Berlin statt.[6]
Einerseits wollte die DDR-Führung das Land mit der Ausrichtung der X. Weltfestspiele als weltoffen und selbstbewusst inszenieren, auch für die westdeutschen Medien, die das Festival besuchten. Doch ging es ihr darum, die Begegnungen der Jugendlichen untereinander nicht zu frei werden zu lassen, sie zu kontrollieren und zu überwachen. Die Staatssicherheit war deswegen von Anfang an fest in die Ausrichtung der Weltfestspiele mit eingebunden.[7]
Schon einmal war Ost-Berlin Austragungsort der Weltfestspiele gewesen, und zwar 1951, für die III. Weltfestspiele. Doch damals hatte der West-Berliner Bürgermeister Ernst Reuter die Teilnehmenden nach West-Berlin eingeladen, wo die Besatzungsmächte und verschiedene Organisationen Kundgebungen und Veranstaltungen organisierten und mit kostenlosen Theater- und Kinokarten, Büchern und Broschüren lockten. Weil es zudem während der Weltfestspiele zu Engpässen bei der Versorgung mit Lebensmitteln kam, wichen die Teilnehmenden auf die Suppenküchen in West-Berlin aus. Das sollte sich 1973 auf keinen Fall wiederholen.
Konzerte, Diskussionen, Demonstrationen
Auf dem Programm standen 1500 Veranstaltungen auf 95 Bühnen, darunter Konzerte von Chören und Singklubs, vom Jugendblasorchester der FDJ, Rock- und Beatkonzerte, Podiumsdiskussionen und Arbeitsgruppen, Tanzgruppen und Gedenkveranstaltungen. Einzelne Tage waren der Solidarität mit sozialistischen Bewegungen in anderen Ländern oder Regionen gewidmet, dann gab es entsprechende Veranstaltungen und Feste, die die Kultur und Musik dieser Regionen näherbringen sollten. Außerdem fanden Demonstrationen statt, darunter die Großdemonstration „Die Jugend der DDR grüßt den Rest der Welt“. Die Teilnehmer:innen dieser Demonstration waren im Vorfeld bewusst ausgesucht und alle Programmpunkte sorgsam geplant worden.
„Auf einmal war die DDR ganz bunt“
Für die Menschen, insbesondere die Jugendlichen in der DDR, boten die Weltfestspiele einen internationalen Austausch, den vor allem die jüngeren so nicht kannten. Neun Tage lang konnten sie Menschen aus anderen Ländern kennenlernen. Freund- und Liebschaften entstanden, die Menschen diskutierten bei bestem Sommerwetter bis in den frühen Morgen miteinander. „Das war geil! Also, das gab's in der DDR noch nie, dass wir andere politische Meinungen hörten, dass wir frei diskutieren konnten. Wir konnten Texte machen wie „Ketten werden knapper“ oder sowas, die wir sonst zu normalen DDR-Zeiten nie durchgekriegt hätten“, so Klaus Renft, der mit seiner Band bei den Weltfestspielen auftrat. „Auf einmal war die so graue DDR ganz bunt“, erinnert sich auch der Saxophonist Ernst-Ludwig Petrowsky, der während der Weltfestspiele im Tiergarten spielte.
„Aktion Banner“
Die Mitarbeiter:innen des Ministeriums für Staatssicherheit waren allerdings stets mit dabei, denn nichts sollte den medialen Erfolg der Spiele gefährden. Dafür rief das MfS die „Aktion Banner“ ins Leben: Über 4000 Mitarbeitende des MfS nahmen als FDJler:innen verkleidet an den Spielen teil. Sie wurden extra auf diesen Einsatz vorbereitet, um in Diskussionen fest für die Positionen der SED und die Regierung der DDR eintreten zu können oder um Flugblätter, die von westdeutschen Gruppen verteilt wurden, einzusammeln. Aber auch schon vor den Spielen griffen Repressionen: Rund 2300 Menschen wurden verhaftet, 800 mussten Ost-Berlin verlassen, außerdem verhinderte das MfS die Einreise von 2700 „negativen Personen“ nach Ost-Berlin. Knapp 500 Personen wurden in die Psychiatrie eingewiesen.
Die über 330.000 teilnehmenden Jugendlichen aus der DDR waren vom Zentralrat der FDJ geschult worden: Sie sollten überzeugend für den Sozialismus argumentieren können und den Gästen aus West-Deutschland nicht unterlegen sein. Dazu vermittelte das Sekretariat des Zentralrats der FDJ den teilnehmenden FDJler:innen „Argumentationshinweise. Der Historiker Dr. Stefan Wolle, der damals an der Humboldt-Universität studierte, war an solchen Diskussionen beteiligt: „Wir wurden dann irgendwo hin geschickt, wo ‚die Brennpunkte waren der Diskussion‘, wo Westdeutsche oder andere Gruppen auftraten, wo einfach ein bißchen Kulisse gebraucht wurde, da sind wir dann sozusagen hinbeordert worden, per Telefonanruf. Da wurden dann 100 FDJler verlangt oder 500 oder 1.000 und das ging dann zack, zack, zack.“[8]
Referenzen
- ↑ Berliner Zeitung vom 04.08.1973
- ↑ Berliner Zeitung vom 01.08.1973
- ↑ Berliner Zeitung vom 01.08.1973
- ↑ Berliner Zeitung vom 04.08.1973
- ↑ https://www.hsozkult.de/event/id/event-52662
- ↑ https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/weltfestspiele-73/65341/einfuehrung
- ↑ https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/weltfestspiele-der-jugend-1973-love-und-peace-in-ost-berlin/8522146.html
- ↑ https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/weltfestspiele-73/65346/hinter-den-kulissen-des-x-festivals?p=all
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